Mittwoch, 13. Juni 2007

Geschichte für Deutsch

Sie saß in einem Cafe. Es war klein, die Möbel waren eng aneinander gestellt und die Theke war nicht weit von ihrem Tisch entfernt.
Sie starrte auf die warme Tasse Kakao, die vor ihr stand.
Es war so früh morgens, dass keiner außer ihr da war.
Ein älterer Mann lief am Cafe vorbei. Er hatte einen dreckigen Mantel an und seine Schuhe waren zerschlissen. Er lief sehr sehr langsam.
"Er muss irgendetwas mit den Beinen haben" sagte sie, halb zu sich selbst, denn die Besitzerin des Cafes war nun oben.
Als sie zwei Sekunden später wieder hinsah, schien er sich beinahe nicht bewegt zu haben. Er musste ein Obdachloser sein, so verdreckt, wie er aussah.
Sie sah ihn an. "Armer Kerl" dachte sie sich.
Erst jetzt hatte er den kurzen Weg zurückgelegt und verschwand langsam aus ihrem Blickwinkel.
Sie nahm einen Schluck aus ihrem Kakao.
Inzwischen kam ein junger Mann im Anzug vorbei. An der Hand hielt er ein Mädchen mit blauem Kleid. Er schien mit ihr zu schimpfen.

Die Tür zum Cafe ging knarrend auf. Der Obdachlose war zurückgelaufen und betrat nun das Cafe.
Sie hatte Angst, sobald sie sah, dass seine Hände voller Blut zu sein schienen. Den Atem anhaltend, blickte sie verstohlen zu ihm hinüber.
"Ich will nur ein Glas Wasser haben" krächzte er. Seine Stimme klang rau und abgenutzt.
Die Besitzerin, die inzwischen unten war, sah ihn leicht nervös an. Sie tauschte einen kurzen Blick mit ihr, zuckte dann mit den Schultern und füllte ein Glas mit Wasser.
Schweigend setzte er sich hin.

Eine Zeit lang sagte er gar nichts. Ihr fiel auf, dass er nach schalem Whiskey und Schweiß stank.
Dann begann er, vor sich hin zu reden.
"So ist es nun mal. Manche haben Glück, manche nicht." brummelte er.
Sie vergrub ihre Hände im Stuhl.
"Nicht wahr, Fräulein?" Er spielte mit einem Gegenstand, den er herausgezogen hatte.
Nun klopfte ihr Herz bis zum Hals. "Mach,dass er mir nichts tut, mach nur, dass er mir nichts tut" hämmerte es in ihrem Kopf.
Sie wollte ihm nicht helfen, sie hatte Angst, sie wollte nur dass er verschwand und sie in Ruhe ließ.
"Der liebe Gott meint es gut, aber eben nicht mit allen. Nicht mit mir." krächzte er traurig.
Sie fühlte sich furchtbar. Er tat ihr Leid, doch er hatte noch immer irgendetwas in der Hand.
"Ein Messer. oder eine Pistole?!" dachte sie.
"Wenn alle in der Stadt am Einkaufen sind, kann ich nicht raus... aber jetzt ist morgen, da stört man sich nicht so. Nichts stört so. Nicht mal ein Penner."
Noch ein Schluck, und er würde gehen. Ein Schluck, und es war vorbei.
Wasser tropfte von seinem Bart. Erst jetzt merkte sie, dass sie ihn anstarrte.
Er hatte Blut an den Fingern.
Er hatte das Glas geleert.
Sie hielt wieder den Atem an, und wartete einfach was als nächstes passieren würde.
"Tut mir leid, wenn ich ihren Morgen gestört habe, Fräulein." sagte er, würdevoll, und legte ein dreckiges Geldstück auf den Tisch.
Dann verließ er das Cafe.
"Mein Kakao ist kalt geworden." dachte sie traurig.