Sonntag, 10. Mai 2009

Verbesserung des Portfolios

Sophia Raos – Portfolio: Reportage

Hanna Schmitz, ehemalige KZ-Aufseherin, steht an dem schäbigen Waschbecken in ihrer Zelle und wäscht sich die Hände. Dabei geht sie sehr penibel vor, beinahe schon sieht es etwas besessen aus, wie sie immer wieder über die bereits sauberen Hände schrubbt. Es ist 9 Uhr in einem Frauengefängnis in Deutschland.
„Frau Schmitz, ihre Besucher warten nun schon eine Viertelstunde auf sie. Wollen sie nicht endlich mit ihnen reden?“ fragt die Wärterin behutsam.
Sie dreht sich unruhig um, und nach einer kurzen Pause bewegt sie sich zum Bett und setzt sich.
„Ich weiß nicht, was die wollen.“ Sagt sie unsicher, fast schon wütend, und rutscht auf ihrem Platz umher. Offensichtlich ist ihr die Aufmerksamkeit höchst unangenehm.
„Alles ist doch schon gesagt.“

Hanna Schmitz ist im siebten Jahr ihrer Haftstrafe. Sie wurde angeklagt, eine große Zahl KZ Insassen in eine Kirche gesperrt zu haben, während diese abbrannte. Man versucht vergeblich eine solche Grausamkeit in den Augen dieser rundlichen, verschreckten Person zu finden. Ist es möglich? Kann man das Unmenschliche in diesem Menschen entdecken?

Hanna blickt zu Boden. Sie schämt sich. Ihr scheint klar zu sein, was jeder von ihr denkt, wenn man sie ansieht.
Sie lässt sich nicht aus der Reserve locken, auf Fragen antwortet sie grob und kurz. Sie macht sofort den Eindruck von jemandem, der mit Worten nicht viel anfangen kann.
Wie bewertet sie die monströsen Taten in den Kzs heute?
„Ich bin kein Monster!“ , sagt sie fahrig und schaut sich um,wie nach Unterstützung zu suchen.
„Wie sehen sie sich dann?“, will ich wissen.
Still schaut sie auf den Boden, rot im Gesicht. „Das weiß ich nicht.“

Hanna Schmitz war eine längere längerer Zeit mit einigen anderen Frauen Aufseherin in einem Nebenlager von Auschwitz, doch nur sie hat eine lebenslange Haftstrafe bekommen. Während des Verfahrens schien sie nicht sehr darauf bedacht, sich zu verteidigen: als einzige der Aufseherinnen bestritt sie nicht, die Tat getan zu haben, und gestand auch, den Bericht verfasst zu haben, der bewies, dass sie für die Tat verantwortlich ist.

Wir haben mit einem der Opfer gesprochen, einer Person, die die Gräuel im KZ überlebt hat: Nora Goldstern. Ihre Augen sind dunkel, die Haare hat sie streng in einem Knoten zusammengebunden. Sie hat einen nüchternen, starren Blick.
„Sie hatte immer ihre Lieblinge... sie hat sie zu sich genommen und sie mussten ihr etwas vorlesen. Daran kann ich mich bei ihr immer noch erinnern. Sie wirkte immer wie eine schwache Persönlichkeit, die lieber Sachen ausführt als darüber nachzudenken, wie alle Aufseherinnen damals...“ Das alles sagt sie emotionslos, völlig distanziert.

Was für eine Art Mensch ist diese Person? Wie ist ein Mensch dazu fähig, wehrlose Menschen in eine brennende Kirche zu sperren?
Nachforschungen über Frau Schmitz anzustellen erwies sich als äußerst schwer: durch ihre häufigen Umzüge und ihr generell zurückgezogenes Leben gibt es kaum Leute, die sich zu ihr äußern können.
Besonders über ihre Kind und Jugendzeit haben wir kaum etwas herausgefunden, vor allem auch da sie sich weigerte, zu verraten, wo sie geboren wurde oder sonst Angaben zu ihrem Lebenslauf zu machen.

Die Leiterin des Gefängnisses, Hilde Möller, meint:„Frau Schmitz ist mir manchmal ein Rätsel. Viele verlieren ja irgendwann den Antrieb, aber sie ist jetzt bereits sieben Jahre hier, und beschwert sich niemals – sie hat Ansehen bei den anderen Frauen. Die anderen fragen sie bei Problemen um Hilfe. Ansonsten sitzt sie einfach still und gewissenhaft ihre Zeit ab. Sie macht auf mich den Eindruck, dass sie büßt, auf Vergebung hofft. Ich glaube gerne, dass sie bereut.“

Sieben Jahre bereits befindet sich Hanna hinter Gittern. Wie verbringt sie ihre Zeit?
„Ich lese viel“, sagt Frau Schmitz mit einem stolzen Flackern in den Augen. „Im Augenblick die Odyssee... meine Augen sind sehr schlecht, ich kann diese klein gedruckten Bücher hier drin nicht mehr lesen ohne eine Brille. Aber ich lasse mir vorlesen.“
Wer denn vorlesen würde?
„Da findet sich immer jemand.“ Bei diesen Worten zucken Hannas Mundwinkel leicht und sie lächelt. Diese Regung lässt ihr ganzes Gesicht freundlicher wirken.

Wir fragen sie, ob sie so etwas wie Reue für ihre Taten empfindet. Ihr Lächeln verschwindet. Zum ersten Mal gibt sie eine längere Antwort.
„Ich habe getan, was man mir sagte. Aber es tut mir schrecklich Leid... es tut mir Leid den ganzen Tag.“ Sagt sie und lehnt sich auf dem Bett zurück. Auf ihrer Stirn glänzen Schweißtropfen, dieses Gespräch fällt ihr nicht leicht. Ihre Augen suchen etwas in denen der Wärterin hinter uns. Ist es Vergebung?
„Ich lese und es tut mir Leid. Das ist alles, was ich den ganzen Tag mache.“

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